Ein Heiligabend, der die Seele anspricht

Irmingard Philipow, Renate Fürst und Friederike Trautmann (v. links) engagieren sich seit Jahren für das Angebot "Weihnachten nicht alleine feiern"; sie sind Teil des großen Teams.
Bildrechte Andrea Pitsch (Hersbrucker Zeitung)

HZ-Heimatzeit-Porträt über die Vorbereitungsgruppe zu "Weihnachten nicht allein sein" – Erinnerungen an Gäste und Kochversuche

Angefangen hatte alles, als Renate Fürst und ihr Mann einmal das Ulmer Münster besucht hatten. Ihr inzwischen verstorbener Ehemann kam als ehemaliger Pfarrer rasch mit einer Kirchenvorsteherin ins Gespräch, erinnert sich Fürst. Die war gerade mit den Vorbereitungen für ein Weihnachtsfest für Obdachlose beschäftigt und meinte: "Es gehört zur Kirche dazu, auf die Menschen zuzugehen." Das dachten sich auch die Fürsts: "So etwas Ähnliches wäre etwas für Hersbruck."

Doch wer würde schon Lust haben, an Weihnachten Aufgaben zu übernehmen? In der Stadtkirchengemeinde habe es zunächst nicht so geklappt mit Helfern, drückt es Fürst überlegt aus. Pfarrer Gerhard Metzger und die Diakonie schalteten sich erfolgreich ein. Daraus bildete sich ein harter Kern aus acht bis zehn Leuten mit großem Herzblut für die Sache und etlichen punktuellen Mitarbeitern. Nach dem Tod von Fürsts Mann fand das Angebot über Dekan Werner Thiessen seine Heimat in der Stadtkirchengemeinde.

Erlebnis weitergeben

Als es um die Frage geht, wie und wann jeder dazugestoßen ist, machen sich auf einmal viele Falten auf den Stirnen breit. Die harmonische Runde ist schon so zusammengewachsen, dass die Frauen es vergessen haben – weil es nicht mehr so wichtig ist im Gegensatz zur Sache selbst. Bei Margarete Gawor könnte es über die Musik gewesen sein, mutmaßen die Damen. "Als Kind habe ich erlebt, wie eine Kirchengemeinde zusammen Weihnachten feiert – in einem sehr großen Saal mit Krippenspiel, Kuchen und mehr", berichtet Gawor. Gerne wollte sie ihren Kindern das Erlebnis einer Weihnachtsfeier in einer christlichen Gemeinschaft mitgeben. "So bin ich zu Renate gekommen."

Bei Irmingard Philipow, die seit 2015 zum Team gehört, und Friederike Trautmann sind es die eigenen Erfahrungen, die sie zur Mitarbeit motiviert haben: "Wir leben allein und es ist schön, miteinander zu feiern." Als sie weiter zu den Anfängen überlegen, ploppen viele Erinnerungen auf. Einmal habe es zum Essen Würstle und Kartoffelsalat gegeben – "weil wir noch nicht so viele Leute waren und uns mit der Küche im Selneckerhaus noch nicht gut auskannten", wirft Fürst ein. Die Wienerle sind aufgeplatzt, was der Chef-Organisatorin bis heute peinlich ist. Doch auch sie stimmt ins Gelächter der anderen darüber ein.

Eine andere Begebenheit hat sich fest bei Fürst eingebrannt. Es war die Premiere von "Weihnachten nicht allein sein". 2011. Alle haben noch die sehr feierliche Atmosphäre im Kopf. Als Fürst gerade beim Aufräumen war, kam die Polizei. "Sie hat eine Frau aus dem Faberheim gesucht, die den Abend bei uns verbracht hat, aber nicht zurückkam." Fürst kannte die Gäste damals noch nicht so gut wie heute; Gesicht und Name hatte sie sich nicht gemerkt. "Nur dass sie einen violetten Mantel anhatte." Sie ging mit dem Polizisten in die laufende Christmette, um die Dame zu suchen. "Da ging ein Beben durch die Reihen."

Helfen ist der Antrieb

Konzentriert und so unauffällig wie möglich schritt sie durch die Bänke und hielt nach dem Mantel Ausschau. "Ich habe nur ein Wort aus der Predigt von Dekan Thiessen gehört: Finanzkrise." Erfolglos. Mit Hilfe von Pfarrer Reinhold Pfindel und Posten an den Ausgängen machten sie die Seniorin ausfindig. Ein paar Tage später habe sie den Beamten auf der Straße getroffen. "Einige Besucher aus der Gemeinde hatten diese Störung nicht verstanden", blickt Fürst zurück. Da entgegnete der Mann, jeder sollte daran denken, dass es jemand aus der eigenen Familie hätte sein können. Fürst war das bewusst und daher kümmerte sie sich – so wie sie und ihre Helferinnen um die Gäste an Heiligabend.

So festlich sah es in den vergangenen Jahren normalerweise im Selneckerhaus aus, wenn die Organisatorinnen an Heiligabend zu Essen, Musik, Geschichten und schönen Stunden eingeladen hatten.
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So festlich sah es in den vergangenen Jahren normalerweise im Selneckerhaus aus, wenn die Organisatorinnen an Heiligabend zu Essen, Musik, Geschichten und schönen Stunden eingeladen hatten.

Neben dem Essen ist den Frauen das Flair besonders wichtig, betonen sie: Südtiroler Krippe als "Mittelpunkt des Weihnachtsfests", Büfett, weiße Tischdecken, rote Filzsterne, grüne Tannenzweige als "festlich-geschmackvolle Deko", beschreibt es Trautmann. Dazu Musik, Rollenspiele ("Da ist man schon mal nervös", gibt Fürst preis), Geschichten, mal war eine Harfe, mal eine Trompete, Klavier oder Geige dabei. "Viele bringen sich mit ein, weil sie auch allein sind und sich über die Gemeinschaft freuen", weiß Gawor. Aufwand ist das für die Runde keine: "Die Leute sollen sehen, dass wir etwas für sie gemacht haben. Damit drücken wir unsere Wertschätzung ihnen gegenüber aus", bringt es Philipow auf den Punkt.

Und genau das spüren die Gäste. "Wir merken, dass sie sich wohl fühlen und sich auf den Abend freuen", fasst Philipow ihre Eindrücke in Worte, "es ist für die, die sonst allein sind, ein Glanzpunkt". Und Fürst ergänzt: "Ein Mann hat mir einmal gesagt, er hat wieder aufatmen können." Solche Worte, "dankbare und berührte Gesichter", das macht auch etwas mit den Organisatorinnen, es gibt ihnen "ein verdammt gutes Gefühl", spricht Philipow mit einem breiten Grinsen aus.

Mitmachen fällt leicht

Dahinter stehe kein Helfersyndrom, sondern einfach nur Nächstenliebe, fügt Fürst an: "Gerade wenn es Menschen nicht so gut geht, muss man da sein." Die Gäste würden es ihnen aber auch leicht machen. Übereinstimmend haben alle im "konstruktiven, positiven Klima" stets große Bereitschaft festgestellt, bei den Aktionen und Liedern mitzumachen.

So zum Beispiel, als sich die Leute das Licht von der Krippe holen durften. "Wir wollten ihnen damit zeigen, dass das Licht auch ihnen gilt und sie selbst etwas bewegen können", erläutert Philipow. So hätten die Männer und Frauen verstanden, dass sie in einer Gemeinschaft Empfindungen haben dürfen. "Wir durften erleben, dass ihre Seele angesprochen wird", freut sich Philipow. Es seien Abende in "menschlich-naher Erinnerung" – und zwar konfessionsübergreifend.

Fürst hat da nicht nur die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche im Sinn. Einmal seien acht geflüchtete jesidische Familien gekommen – insgesamt rund 50 Personen, darunter 25 Kinder. "Es war kein Platz mehr frei im Gemeindehaus." Und sehr viel Trubel …

An den Ursprung denken

Der Einmach-Topf aus Reis und Hühnchen, den leckeren Geschmack haben die Damen noch heute auf der Zunge. "Es ist ein wertvoller Ansatz, wenn andere Menschengruppen da sind und wir voneinander lernen können", ist Philipow überzeugt. Das bringe Menschen einander näher. "Dann schwindet die Angst", schließt sich Gawor an. Alle nicken still, wie so oft in dieser Runde.

Daher sind für Fürst, Trautmann, Philipow und Gawor gerade die persönlichen Gespräche so bedeutend an diesem speziellen Weihnachtsabend. "Wir wollen den Leuten auf vielfältige Weise den Ursprung von Heiligabend vermitteln", unterstreicht Trautmann das Ansinnen, "Christ, der Retter, ist da" – und deswegen muss keiner allein sein.

Sie hatten sich Alternativen überlegt, doch trotz aller Bemühungen kann die Weihnachtsfeier nicht stattfinden. Damit es für Menschen, die alleine leben, keine allzu stille Nacht wird, ruft das Team um Fürst dazu auf, mutig neue Wege im Zusammenleben zu suchen. Die Kirchen warten mit einer Vielfalt von Angeboten: "Wir wünschen uns, dass es zu überraschenden Begegnungen kommt, herzlichen Gesten, freundlichen Blicken, versöhnenden Worte. Wir wünschen ein friedvolles, fröhliches und gesegnetes Weihnachtsfest."

Copyright (c) 2021 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 18.12.2021