Leben im "Schrumpfmodus"

Kathrin Klinger, Gottfried Kaeppel, Tobias Schäfer, Lisa Weniger und Estelle Kunad-Wittenberg (v. links) haben eine Andacht zum ersten Jahrestag des Lockdown online gestellt.
Bildrechte Ute Scharrer (Hersbrucker Zeitung)

Video-Andacht des Dekanats Hersbruck zum ersten Jahrestag des Lockdowns

Es ist kein Übertünchen, kein Schönreden, kein "mit Gott wird alles gut". Die Andacht, die im Altarraum der Stadtkirche gefilmt wurde und an "ein Jahr Lockdown" erinnert, steht in der Tradition biblischer Klagelieder und Dekan Tobias Schäfer und vier Gemeindepfarrer benennen, was an Schmerz, Enttäuschung, Zorn und Angst in vielen Menschen aufflammt – in diesem Ausnahmezustand, der sich am 16. März zum ersten Mal gejährt hat und so schon zum ungeliebten Normalzustand geworden ist.

Schwere Steine legen sie auf die Stufen des Altars, Estelle Kunad-Wittenberg, Lisa Weniger, Kathrin Klinger und Gottfried Kaeppel, die im Dekanat als Pfarrer arbeiten. Steine, die für die Lasten stehen, die Menschen mit sich herum tragen. Ob es Existenzängste sind oder die Sorgen um Angehörige, Angst vor der Krankheit und ihren Folgen, Schuldgefühle, Überlastung, Unsicherheiten, Zweifel – es wird deutlich, dass die Geistlichen hingehört haben, was die Menschen umtreibt und belastet. In mit Gefühl und Empathie vorgelesenen Fürbitten tragen die Pfarrer stellvertretend diese Anliegen vor Gott.

Die flackernden Kerzen auf dem Altar, das vertraute Glockengeläut der Stadtkirche, die fein vorgetragenen Lieder des Singteams um Kantorin Heidi Brettschneider ziehen den Gottesdienstbesucher am Bildschirm in den "Kirchenraum" hinein. Dekan Tobias Schäfer benennt, was in der Luft liegt: "Wir hören von kleinen Lockerungen und würden doch gerne hören: Es ist vorbei!"

Auch die biblischen Texte aus der täglichen Lesung gaukeln keine Gewissheiten vor, die es nicht gibt. Doch: "Alle unsere Fragen, Verzweiflung, Wut, Ärger, Sehnsucht, dürfen wir im Gebet vor Gott tragen! Und Gott kann auch noch aus dem größten Unglück eines Tages Gutes wachsen lassen", versichert Dekan Schäfer.

Fotos auch aus den Gemeinden des Dekanats zeigen, wie erfinderisch die Kirche in den vergangenen Monaten geworden ist, um die Menschen nicht im Stich zu lassen: Posaunenchorproben digital, Musik vom Balkon, Gottesdienste mit viel Abstand auf dem Kirch- hof … Und mit der Gelegenheit zur persönlichen Stille, Vaterunser und Segen klingt der Fürbittgottesdienst aus.

Wie so oft ist dieses digitale Angebot nicht dasselbe wie Gemeinschaft ohne Abstand oder Maske. Doch dafür kann, wer diese 25 Minuten verpasst hat, sie ab jetzt jederzeit ansehen. Der Link dazu findet sich auf www.dekanat-hersbruck.de oder unter "Andacht am 1. Jahrestag des Lockdowns" auf YouTube.

Copyright (c) 2021 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 18.03.2021