Männerkreisfahrt unter des Herren Hut

Die diesjährige Dreitagesfahrt des Männerkreises der Evangelischen Stadtkirchengemeinde führte nach Herrnhut/ Oberlausitz.

Hier hat Nikolaus Ludwig Graf von Zinsendorf im Jahr 1722 die Brüdergemeine gegründet, die sich vom herkömmlichen Begriff der Gemeinde abgrenzt. Sie ist eine überkonfessionelle christliche Glaubensbewegung mit weltweiter Missionstätigkeit, von Protestantismus, Calvinismus und Pietismus geprägt. Die Verantwortung für die Gemeine liegt beim Ältestenrat, die Verantwortung für die Kirchenprovinz liegt bei der Synode, das Bischofsamt ist rein geistlich. Die Gesamtleitung für Deutschland und Europa hat ihren Sitz in Herrnhut.

Herrnhut 3
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Unter einem Trompetenbaum aus der Missionsstation in Surinam mit einer Zinsendorf-Büste erhielten wir vom Leiter des Heimatmuseums einen authentischen Eindruck von der Entstehungszeit und der Tätigkeit der Herrnhuter. Die Brüdergemeine gibt jährlich sogenannte "Losungen" zur täglichen Andacht (Blaues Heft) heraus. Aus einer Vielzahl von Bibelversen aus dem Alten Testament wird für jeden Tag ein Text aus der Losungsschale gezogen und um einen passenden Spruch aus dem Neuen Testament ergänzt.

Eine Besonderheit der Herrnhuter stellt auch die Bestattungskultur dar. Auf dem Gottesacker werden die Verstorbenen unter einer schlichten einheitlichen Steinplatte, von Rasen eingesäumt, bestattet. Es gibt keine Familiengräber oder Mehrfachbelegungen, auch keine Friedhofskapelle, man geht von der Gleichheit vor dem Tod und der Ruhe vor der Auferstehung aus.

Bestattungskultur
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Ein Besuch in der Manufaktur der weltberühmten Herrnhuter Weihnachtssterne durfte im Programm nicht fehlen. Bei einer Busrundfahrt lernten wir in Groß-Cunnersdorf die typischen Umgebindehäuser kennen. Die Webstühle im Erdgeschoß wurden früher in Holzbohlenbauweise umbaut, die Wohnräume im Obergeschoß darüber in Fachwerkkonstruktion errichtet. Die Dächer sind schiefergedeckt, teilweise auch die Fassaden mit dekorativen Mustern. In Zittau überraschten die ansehnlichen Bürgerhäuser, die vom früheren Wohlstand der Stadt durch Textilindustrie und Handel zeugen, nur wenige Gebäude sind noch nicht wieder instandgesetzt. Eine der Hauptsehenswürdigkeiten sind die Fastentücher, die mit Bibelszenen bestickt sind. Sie verhüllten die Altäre während der vorösterlichen Bußzeit. Als Schmankerl brachte uns am Samstagabend ein Oberlausitzer Urgestein die Mundart mit dem rollenden „r“ näher und spornte die ganze Runde zum Mitsingen zahlreicher Volkslieder an.

Am Sonntag nahmen wir an der Gottesdienstversammlung teil und wurden dazu auch herzlich begrüßt. Der durch Brand zerstörte und wieder aufgebaute klassizistische Kirchenraum ist durch große Fenster und weiße Wände, Bänke und Emporenbrüstungen erhellt, Blumensträuße in den Fensternischen bilden den einzigen Schmuck. Es gibt ein kleines weißes Holzkreuz ohne den Gekreuzigten, eine Orgel und ein Tischpult mit Stuhl für den Versammlungsleiter. Der Gottesdienst wird vom Pfarrer als schlichter Predigtgottesdienst gehalten, begleitet von vielen Liedern aus dem eigenen Gesangbuch der Brüdergemeine. Die konzentrierte Gottesdienstordnung, die sich von der uns gewohnten in mancherlei Hinsicht unterscheidet, bot reichlich Gelegenheit zur Diskussion beim anschließenden Kirchenkaffee.

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Nach dem gemeinsamen Mittagsessen trat die dreißigköpfige Reisegruppe mit Damen, von den vielen Eindrücken erfüllt, wieder die Heimreise an, schon mit der Überlegung, wohin die Männerkreisfahrt 2020 führen könnte.