Meditieren mit Pauke und Trompeten

Gemeinsames Gotteslob: Zum Mitsinglied musizierten Zuhörer und Blechbläser zusammen.
Bildrechte Ute Scharrer (Hersbrucker Zeitung)

Blechbläsergruppe der Selneckerkantorei verbreitete hinreißend schöne Klänge des Komponisten Traugott Fünfgeld in der Stadtkirche

"Eingängig und nachvollziehbar, ohne banal zu sein" – so wünscht sich der 1971 geborene Komponist Traugott Fünfgeld seine Musik. Im Falle der Symphonischen Suite für Bläser, Pauken und Orgel, die in der Stadtkirche zur Aufführung kam, stapelt dieser Anspruch gewaltig tief: Die jubilierenden, aufwühlenden und klanggewaltigen Variationen rund um den Kirchenliedklassiker "Nun danket alle Gott" führten Musikliebhaber direkt in die Entrückung. Ein Verdienst ebenso der hervorragenden Musiker wie des Komponisten.

Nur für die Anfangs- und Schlussstücke waren die Bläser vorne im Kirchenschiff zu sehen. Für Fünfgelds Symphonische Suite stiegen sie die knarzenden Stufen bis zur Orgel hinauf, um für das anspruchsvolle Zusammenspiel nahe beieinander zu sein. Denn in diesem Konzert ging es nicht ums Sehen: "Musik ist eine Schule des Hörens", betonte Dekan Werner Thiessen in seinen Lesungen.

Wie Himmel und Erde

Seine klugen Bezüge zwischen der gehörten Musik, dem irdischen Leben und der Spiritualität holten die im Musikhimmel schwebenden Zuhörer zwischendurch auf die Erde zurück. Dann durften sie wieder in die Klangsphären entschweben oder, wie Thiessen es formulierte: "Das eigene Leben klingt ein in die Sphäre Gottes." Geburtshelfer hierbei waren die an diesem Abend überragend aufspielenden Blechbläser der Selneckerkantorei, Dekanatskantorin Heidi Brettschneider an der Orgel, Kirchenmusikdirektor Karl Schmidt als Dirigent und Christoph Naucke an den Pauken. Wo befürchtet Fünfgeld wohl, "banal" zu werden? Etwa, wenn die Orgel an eine Dorfkirmes erinnernd behaglich zum Reigen aufspielt und wehmütige Erinnerungen an Schostakowitsch-Walzer aufblitzen? Oder wenn Elemente osteuropäischen Temperaments aufwallen, kleine Sprenkel aus Blues und Jazz durchs Finale flirren? Oder gar, wenn die Melodie des zugrunde liegenden Kirchenlieds durchs Unterbewusstsein strömt, weil die Bläser sie heimlich, heimlich hier und da anklingen lassen?

Rausch aus Klangfarben

Was in so grandioser Weise die ganze Fülle menschlichen Empfindens thematisiert und hervorruft, kann nicht banal sein. Der steilen Herausforderung des erst zehn Jahre alten Stückes stellen sich die Blechbläser, die Organistin und der Paukist und erzeugen einen Rausch aus festlichen, dramatischen, wirbelnden und doch wohlgeordneten Klangfarben in einer Fülle, die an eine weit gewaltigere Musikerzahl denken lässt.

Der Applaus ist zunächst schüchtern, die Ergriffenheit der Zuhörer genau darin spürbar. "Intrada" von Dieter Wendel und ein Vorspiel von Fünfgeld sind, obwohl genau so schön gespielt, nur Auftakt und ein Bachchoral sowie ein Abendlied von Chris Woods nur Nachhall der Symphonischen Suite. Zum Mitsingen von "Nun danket alle Gott", das den ganzen Abend durchzogen hat, stehen nach und nach alle im Kirchenschiff auf und auch wenn sich wie üblich am Ende die Musiker vor dem Publikum verneigen, wirkt es, als täte dieses innerlich umgekehrt dasselbe.

UTE SCHARRER

Copyright (c) 2019 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 20.03.2019