Nach 38 Jahren sagt „die Legende“ Servus

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Bildrechte J. Brennhäußer (über Hersbrucker Zeitung)

Die Verabschiedung findet am morgigen Sonntag um 15 Uhr in der Stadtkirche statt.

Der Hersbrucker Kantor Karl Schmidt geht in den Ruhestand – Strenger Chef und fröhlicher Mitmensch – Oratorien und Gospel auf hohem Niveau

HERSBRUCK – Ohne Karl Schmidt wäre Hersbruck musikalisch und gesellschaftlich um einiges ärmer. Der Kantor war Musiklehrer, Chorleiter, Gründer und Chef des Gospelchors „Sound of Joy“, der den Namen Hersbrucks in die Welt trug. Am Sonntag, 18. März, wird der Kirchenmusikdirektor verabschiedet. Als Jungspund vor 38 Jahren erzeugte der strenge Chorleiter und fröhliche Gemeinschaftsmensch eine enorme Aufbruchstimmung, die viele Früchte trug.

Karl Schmidt und die Selneckerkantorei sind bayernweit ein Begriff. So darf der Hersbrucker schon mal überregional über seine gelungene Aufbauarbeit referieren, zuletzt beim Kirchenmusikerkonvent in Pappenheim — und überregional Konzerte geben darf er sowieso: Gut 25 Jahre lang war der Gospelchor für Konzerte fern der Heimat immer wieder gerne gebucht. Von den 270 Konzerten des ehemaligen Jugendchors, der das afroamerikanische „Spiritual Feeling“ nach Hersbruck brachte, fanden 89 anderswo statt, unter anderem auf 16 Konzertreisen. Japan, Brasilien oder Australien, um nur wenige Beispiele zu nennen, sind für die Beteiligten „legendäre“ Erlebnisse.

Das war nicht zu vermuten, als Schmidt 1979 anfing mit einem 25köpfigen Kirchenchor, der die üblichen Lieder beherrschte, etwa „Lobet den Herrn“ oder „Nun danket alle Gott“. Rasch erweiterte er das Repertoire und setzte zugleich stark auf die Nachwuchsarbeit. In besten Zeiten führte er bis zu 400 Menschen kirchenmusikalisch.

Wegbegleiter bescheinigen ihm dabei durchaus mit Sympathie eine gewisse unterfränkische Sturheit, was er bestätigt. Man kann auch sagen: Er wusste ziemlich genau, was er wollte und was er seinen lernhungrigen und auch erfahrenen Sängern zutrauen und manchmal auch zumuten konnte. Etwa 75 Mitglieder zählte der Selneckerchor und zuletzt der Projektchor, gut 100 der Gospelchor.

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„Ich probe stramm und energisch“, beschreibt er seinen Stil im Gespräch mit der HZ und zitiert einen befreundeten Lehrer: „Wer nicht fordert, der fördert nicht.“ An diese Devise habe er sich immer gehalten, sammelte damit aber auch mal schmerzliche Erfahrungen. Die Grenze zum Überfordern ist manchmal näher als gedacht. 1993 musste er eine Aufführung abblasen — „mittendrin in den Proben, weil wir es leider nicht geschafft haben“.

Eine seltene Ausnahme in fast vier Jahrzehnten als Kantor, in denen die Laien Beachtliches leisteten. Jedes Jahr zwei große Aufführungen mit der Selneckerkantorei und ein semiprofessioneller Gospelchor zeugen davon. Schmidt spricht respektvoll vom Einsatz und Können der Sänger und Musiker: „Wir haben ganz viele Gute, die auch sehr notensicher sind.“ Als der 24-jährige Unterfranke 1979 nach Hersbruck kam, begann er mit einer Kinder-Flötengruppe und wurde dafür belächelt. Heute kann er sagen, dass dies die Grundlage vor allem für den erfolgreichen Gospelchor und für einige Orchester oder Bands in der Stadt war. Nach zehn Jahren wollte er das erste Weihnachtsoratorium aufführen - bis heute keine Selbstverständlichkeit für Kirchengemeinden dieser Größe. „Wir haben ewig geprobt“, erinnert er sich, aber schon nach zwei Jahren war der große Tag gekommen: 1982 führte die Selneckerkantorei Bachs Oratorium Teil 1 bis 3 auf. Die Messlatte war gesetzt, der Sprung gelang Jahr für Jahr. Ostern und Weihnachten gehören anspruchsvolle Messen und Oratorien fest zum Kulturleben der Stadt. Durch seine Qualität war der Chor von Anfang an attraktiv für neue Mitglieder. Das Niveau stieg rasch und blieb hoch. Für den Chorleiter bemisst sich das daran, dass es früher eine halbe bis dreiviertel Stunde dauerte, bis jeder seine Stimme gefunden hatte, „heute singen wir einen Bach-Choral zwei bis drei Mal durch, dann sitzt das“.

Wegen unserer schönen Gesichter engagiert uns niemand

Von außen erntete der Kantor nicht immer die Anerkennung, die er sich für seinen hohen Einsatz erhoffte. Unvergessen in der Stadt ist der Zuschussstreit mit dem Kirchenvorstand von 2005. Schmidt war kurz davor hinzuwerfen. Seinem Ärger machte er in einem offenen Brief Luft. Es ging um Zuschüsse der Kirchengemeinde für Gospelchorreisen, in die nicht nur er, sondern auch die ehrenamtlichen Mitglieder Engagement sowie eigene Zeit und Geld steckten. Es habe sich geregelt, sagt er heute darüber. So war es auch fünf Jahre später, als ihm die Stelle gekürzt werden sollte. Er nahm es zuerst einmal persönlich, obwohl es gar nicht um ihn oder seine Arbeit ging, sondern um Vorgaben der Landeskirche für Personalstunden im Dekanat.

Über sich habe er dabei etwas gelernt, meint er selbstkritisch:„Es ist nicht gut, dass ich viel zu lange warte, wenn ich mich ärgere, und dann plötzlich explodiere“. Damit und der erwähnten Sturheit focht er den einen oder anderen Kampf mit Autoritäten aus, die in 38 Jahren nicht ausblieben.

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Auf der anderen Seite ist klar: Wer so lange so intensiv seinen Job macht, der muss dafür Dampf im Kessel haben. Das zeigte sich auch, wenn zum Beispiel die Gospelsänger Probendisziplin vermissen ließen. Schmidt drohte rigoros mit dem Projektabbruch. Ein strapaziertes Zitat von ihm heißt: „Wegen unserer schönen Gesichter engagiert uns niemand.“ Disziplin war das oberste Gebot. Voriges Jahr geriet so kurzzeitig das Gospel- Abschlusskonzert, sein Finale, in Gefahr. Schmidts Rüffel wirkte ein weiteres Mal: Hinterher schwärmte nicht nur er vom „exquisiten Konzert in der proppenvollen Stadtkirche“.

Die Sänger respektieren seine zielführende Art, die ihnen immer wieder eigenen Erfolg brachte, und sie mögen ihn. So spielten ihm die Chormitglieder zum Jahresabschluss 2017 auf 40 Flöten die Club-Hymne „Die Legende lebt“. Schmidt ist FCN-Fan, aber mit Legende war diesmal er gemeint. Das sieht er durchaus als schöne Bestätigung seiner „Mission“. Denn Schmidt wusste immer, wie gemeinschaftsstiftend seine Arbeit wirken kann, und das sollte sie auch. Und ihm war auch klar, wie direkt Liedbotschaften Herzen berühren können und wie wichtig diese Art von gemeinsamem Erleben ist. Während der Proben und Auftritte war er der Chef, danach sah er sich immer als Teil der Gruppe - mit einem gewissen Hang zum Blödeln. „Ich bin schon stolz darauf, dass ich mir dieses freudige Gemüt und die Fröhlichkeit bis ins Alter erhalten habe“, sagt er heute mit 63 über sich.

428 Konzerte hat er seit 1979 vorbereitet und gegeben, auch solo als Könner an der Kirchenorgel. 74 Nachwuchsmusiker hat er an den Tasten ausgebildet, 50 mit sehr gutem Ergebnis. Fast 40 Chorleiter durchliefen seine Schule. Und ganz nebenbei dirigierte Schmidt den Bezirksposaunenchor und auch die Sängervereinigung Ellenbach viele Jahre.

„Es hat immer Spaß gemacht“, sagt er. Trotz der vielen Arbeit blicke er auf eine fantastische Zeit zurück: „Ich gehe dankerfüllt. Ich und die, die dabei waren, werden das nie vergessen.“ MICHAEL SCHOLZ

Die Verabschiedung findet am morgigen Sonntag um 15 Uhr in der Stadtkirche statt.

Bild ganz oben: Fast immer ein Lächeln auf den Lippen: Karl Schmidt. Foto: J. Brennhäußer

Copyright (c) 2018 Verlag Nuernberger Presse, Hersbrucker Zeitung, Ausgabe 17.03.2018


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