Unfreier Glaube

Aus dem Dekanat haben Lydia Werner und Gerhard Knodt an der Ausstellung mitgearbeitet, die erstmals in Berlin gezeigt wurde.
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Christliche Märtyrer – Wanderausstellung wird eröffnet.

Freikirchliche, Orthodoxe, Evangelische und Lutherische bilden einen ökumenischen Horizont. Das macht die Wanderausstellung deutlich, die von 16. April bis 11. Mai in der Stadtkirche Hersbruck zu Gast ist. Wie es dazu kam, wissen die Pfarrer Gerhard Knodt und Lydia Kossatz.

Christliche Märtyrer – das klingt irgendwie aus der Zeit gefallen.

Gerhard Knodt: Ja, vordergründig ist das Thema erst einmal historisch interessant. Aber: Die Märtyrer verbinden die verschiedenen Kirchen. Sie stehen für den oft stillen Widerstand gegen totalitäre Regimes. So ergibt sich die Frage nach Religionsfreiheit heute. Überhaupt: Wofür bin ich bereit, mich mit meinem Leben einzusetzen?

Lydia Kossatz: Die Frauen und Männer, deren Lebensbilder die Ausstellung zeigt, kamen erst vor knapp 100 Jahren gewaltsam ums Leben. Es sind Christen aus der Hitler- und Stalin-Zeit, aus Deutschland sowie der damaligen Sowjetunion. Damit berührt das Thema auch die Frage nach einem "leidenschaftlichen" christlichen Glauben, der in totalitären Regimes Bestand hat. Und genau diese Frage ist heute noch immer für so viele Menschen auf der Welt hochaktuell, weil sie ihren Glauben eben nicht frei leben können.

Entstanden ist das Projekt ja nicht in Hersbruck.

Knodt: Am Anfang stand eine Kooperation zwischen der Humboldt-Universität Berlin und der St. Tichon-Universität in Moskau. Das war 2017. Ich gehörte zum Kreis der Weiterentwickler, die sich 2020 – also vor dem Ukraine-Krieg – an die Arbeit machten. Eine Theologiestudentin aus dem Dekanat hat auch mitgearbeitet: Lydia Werner.

Die Wanderausstellung ist keine rein evangelische Angelegenheit- auch nicht in Hersbruck.

Knodt: Ich hatte nicht mit so viel gutem Echo gerechnet. Für katholische Partner ist das Thema viel selbstverständlicher. Pfarrer Wunnibald Forster war von Anfang an dabei und Pastor Andreas Jahreiß von der evangelisch-methodistischen Gemeinde gab sofort seine Zustimmung.

Kossatz: Dass Christen wegen ihres Glaubens verfolgt werden und leiden, eint alle christlichen Konfessionen und Kirchen. Daher ist uns in Hersbruck auch die ökumenische Perspektive so wichtig. Eröffnet und beschlossen wird die Ausstellung deshalb jeweils bewusst ökumenisch: Mit einer gemeinsamen Andacht zu Beginn, mit einem Friedensgebet zum Abschluss.

Wie ist die Schau aufgebaut?

Knodt: Die 25 Tafeln zeigen Lebensbilder, Übersichtstexte und Zeittafeln. Manche sind einzelnen Personen gewidmet, andere ganzen Gruppen. Die jeweilige Kirchenzugehörigkeit ist farblich erkennbar. Und natürlich gab es ökumenisch zusammengesetzte Gruppen wie den Kreisauer Kreis oder eben die Weiße Rose. Jede Tafel beginnt mit einem markanten Zitat, nennt die wichtigsten Lebensdaten, den Lebensweg und den Leidensweg der Märtyrer. Auf jeder Tafel findet sich ein QR-Code, über den sich weitere Infos abrufen lassen. Am besten ist es, man beginnt unter der Kanzel und bewegt sich gegen den Uhrzeigersinn. Die letzte Tafel schlägt einen Bogen in die Gegenwart. Die Ausstellung wirkt auf die Betrachter überraschend positiv, stimmt nachdenklich, inspiriert. Man geht beschwingt aus der Kirche.

Die Ausstellung wird von fünf Vorträgen begleitet , die sich unter anderem um Verfolgung, Religionsfreiheit und Diktaturen drehen.

Knodt: Durch den geschichtlichen Abstand bedrängt die Ausstellung nicht. Sie lässt Raum für die eigenen Gedanken, führt aber unwillkürlich an die Fragen heran, die uns heute beschäftigen. Dazu geben die Referenten im Begleitprogramm Raum.

Kossatz: Die Vorträge drehen sich um Verletzungen des Menschenrechts in KZ-ähnlichen Lagern in Xinjiang, Massenvertreibungen muslimischer Rohingyas aus Myanmar, den Völkermord an den Jesiden, die Zerstörung christlicher Kirchen im Irak, um die Geschichte der Russlanddeutschen oder auch um das Leben von ukrainischen und russischen Christen unter totalitärer Herrschaft.

Gleich am Montag um 19.30 Uhr sprechen Ernst Herbert und Andreas Grell aus Neumarkt über "Bedrängte und verfolgte Christen heute". Was erwartet die Zuhörer?

Knodt: Das Christentum ist die weltweit am häufigsten diskriminierte und bedrängte Religion. Wir nehmen im sicheren Europa nur nicht wahr, unter welchen Bedingungen etwa im Norden Nigerias, in muslimischen Mehrheitsgesellschaften, in China oder gar in Nordkorea Christenmenschen leben, glauben und sterben.

Kossatz: Die wichtigsten Menschenrechtsorganisationen berichten aktuell von mehr als 360 Millionen Christen, die weltweit diskriminiert, ausgegrenzt, bedrängt, verfolgt und oft auch getötet werden. Die Zuhörer bekommen Einblicke in die weltweite Christenverfolgung unserer Zeit.

Warum sollte man sich dem Thema widmen?

Kossatz: Gerade feiern viele junge Menschen ihre Konfirmation: Sie bekennen sich zum christlichen Glauben – unbeschwert. Mit dem Blick in die jüngere Vergangenheit und die weltweite Christenheit bin ich dankbar, dass wir hier unseren Glauben so leben können - frei, ohne verfolgt oder gar getötet zu werden. Diejenigen nicht zu vergessen, die unter anderen Umständen leben und glauben müssen, ist wichtig. Das Thema führt uns vor Augen, dass Religionsfreiheit nicht selbstverständlich ist.

INT.: ANDREA PITSCH

Info
Die Ausstellung wird am Sonntag um 17 Uhr mit einer ökumenischen Andacht in der Stadtkirche eröffnet. Führungen gibt es am 23. und 30. April sowie 7. Mai jeweils um 11.15 Uhr. Alle Infos unter www.maertyrer.info und www.ebw-nah.de

Copyright (c) 2023 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 15.04.2023