Vom ungeliebten Kind zum Lieblingsstück

Kirchenväteraltar der Hersbrucker Stadtkirche
Bildrechte Ev.-Luth. Kirchengemeinde Hersbruck Stadtkirche

Der Erweiterung der Hersbrucker Stadtkirche und der Barockisierung hat Ipsheim einen Altar zu verdanken – Wechselvolle Geschichte des Kirchenväteraltars

Ein Altar, zwei Kirchen und viele spannende Geschichten – so könnte man kurz zusammenfassen, wie der frühere barocke Hauptaltar der Hersbrucker Stadtkirche in die St. Johanniskirche nach Ipsheim kam.

Vor rund sechs Jahrzehnten wurde das Kunstwerk aus der Barockzeit, aus den Jahren um 1738, "das in der Fachwelt hohe Anerkennung findet", wie Wilhelm Schwemmer in seinem Werk "Die Kunstdenkmäler Mittelfrankens" schreibt, und das die Grablegung Christi zeigt, in der Hersbrucker Stadtkirche abgebaut. Und das hängt mit dem berühmten Kirchenväteraltar zusammen.

Weil der Kirchenväteraltar zurück sollte, musste der Barockaltar nach Ipsheim auswandern.
Bildrechte S. Blank (Hersbrucker Zeitung)

Das Herzstück der Stadtkirche gilt als einer der bedeutendsten spätmittelalterlichen Altäre Frankens. Maria mit dem Jesuskind auf einer Mondsichel stehend, daneben die vier Kirchenväter Augustinus, Gregor der Große, Ambrosius und Hieronymus. Die Außentafeln zeigen Geburt Christi und Tod Marias. Werden die inneren Flügel geschlossen, sind acht Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu zu sehen, bei völlig geschlossenem Altar die vier Marienmotive Geburt, Heimsuchung, Begegnung an der Goldenen Pforte, Verkündigung.

Gotik war out

Der war lange der Mittelpunkt für Pfarrer und Gläubige in der Hersbrucker Stadtkirche. Doch dann war die Gotik irgendwann "nicht mehr in", wie es Dietrich Kappler vom Kirchbauverein beschreibt. Während der großen Renovierung und Aufstockung des Gotteshauses 1737/38 beseitigten die Handwerker im Chor alle gotischen Bauelemente – auch der Kirchenväteraltar musste weg. "Man hat diesen Stil einfach nicht geschätzt." Und wusste nichts über den Wert dieses Stücks.

Also verstaute man den Schrein des Altars erst einmal im Rathaus; 1866 wanderte er in die 1851 fertiggestellte Auferstehungskirche – für nur kurze Zeit. Die Flügel des Schrein-altars blieben aber an den Seitenwänden des Chors hängen, wie heute noch am Putz zu sehen sei, so der Architekt. "Warum? Das weiß man nicht." Damit war der Kirchenväteraltar erst einmal vergessen.

Denn die Kirchengemeinde erfreute sich laut Kapplers Einschätzung an dem modernen barocken Hauptaltar, "der Höhepunkt" der renovierten Kirche. Denn das Werk wurde extra von Bildhauer Andreas Lambeck aus Schlicht in der Oberpfalz und dem Hersbrucker Schreinermeister Johann Plösel angefertigt; das Altarblatt bemalte Justin Preisler. Der Direktor der Nürnberger Malerakademie stellte die Grablegung Christi dar.

"Recht viel mehr ist nicht über den Altar bekannt", muss Kappler, der als Bauberater für die Kirchengemeinde fungiert, zugeben. Eine Kuriosität am Rande fällt ihm noch ein: Für die Kirchenweihe im Oktober 1738 hatte der Pfleger J. F. Pömer extra eine Kantate beim berühmten Komponisten Georg Philipp Telemann in Auftrag gegeben. "Der Text ist überliefert, aber die Musik dazu nicht", erzählt Kappler, "was schade ist, weil er hat viele solche Stücke geschrieben, die aufeinander aufbauen".

Damit kehrte für Jahrzehnte Ruhe ein in Hersbruck – bis 1866: Da wurde Freiherr von und zu Aufseß auf den Kirchenväteraltar aufmerksam. Er war für sein 1852 neu gegründetes Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg auf der Suche nach hochwertigen Ausstellungsstücken aus dem deutschen Mittelalter. "Da waren noch viele Plätze frei im Haus und er erkannte den Wert." Nachdem das Werk für die Hersbrucker keine große Bedeutung mehr hatte, stimmte der Kirchenvorstand der Leihgabe "auf 99 Jahre" zu. "Wenn dann nichts passiert wäre, wäre er nach Ablauf dieser Zeit in Nürnberg geblieben."

Doch bereits in den 50er Jahren wendete sich die Einstellung in Hersbruck. Besonders dem damaligen Dekan Valentin Söllner, der von 1946 bis 1962 im Amt war, war die Rückführung ein Anliegen. "Er war da sehr aktiv." Aber das passte wohl nicht jedem: "Es gab gewisse Diskussionen darüber in der Gemeinde." Doch 1953 beschlossen zweiter Pfarrer Klein, Kirchenvorsteher Liedel, Stadtbaumeister Zagel, zweiter Bürgermeister Fritz Kappler und Architekt Eduard Kappler, "sofort die notwendigen Schritte einzuleiten, um eine Rückführung der Leihgabe aus dem Germanischen Nationalmuseum zu erreichen".

Extra eine Kapelle

Nur, so einfach war es nicht, denn der Widerstand der musealen Einrichtung war groß. Professor Grote, der Leiter des GNM, hielt in einem Schreiben an Söllner 1960 dagegen: "Man könne einer Rückführung nur zustimmen, wenn eine besondere Kapelle für den Altar gebaut würde." Da half es auch nicht, dass der Denkmalschutz dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüberstand. Letztlich gab die Landeskirche 1961 ihre Zustimmung – unter der Auflage, dass die Wiederverwendung des barocken Hochaltars, der dem Kirchenväteraltar im Chor Platz machen musste, "an einem adäquaten Ort gesichert sein" muss.

Also begann Dekan Söllner seine Amtskollegen in Bayern zu fragen, ob sie denn einen Altar gebrauchen könnten, berichtet Kappler. Nur waren die Kirchen entweder schon ausgestattet oder die Maße passten nicht. Nicht so im Markt Ipsheim.

Rund 80 Kilometer westlich von Hersbruck steht die St. Johanniskirche in Ipsheim, deren Geschichte wohl bis ins elfte Jahrhundert zurückgeht. In dieser Zeit war dort Heinrich Rübel Pfarrer, und das schon seit 1940, wie Martin Knörr, der sich um das Archiv der Kirchengemeinde kümmert, berichtet. Die Kirche sei im Altarbereich sehr schlicht gewesen, "der Chorraum war relativ leer". "Tisch des Herren", Taufstein, Kanzel, ein Gemälde. Um 1908 herum wurde für ein "Auferstehungsfenster" gesammelt, das danach der Stolz Gemeinde wurde. Und um 1960 herum "stand eine umfangreiche Kirchenrenovierung an", erzählt Martin Knörr.

Bevor der Altar aus Hersbruck kam, hatte die Kirche in Ipsheim keinen "Tisch des Herrn", dafür war das bunte Auferstehungsfenster bestens zu sehen. Das wird nun verdeckt.
Bildrechte Archiv Kirchengemeinde Ipsheim
Symbolische Münze

Ein Architekt aus Nürnberg namens Stolz, der in Hersbruck an der Kirche ebenso in Einsatz gewesen war wie im Ipsheimer Ortsteil Oberndorf, knüpfte Kontakte. "Und Pfarrer Rübel hat dann mit Leib und Seele für den Altar gekämpft", sagt Knörr. Man nehme das Stück gerne, könne aber nichts dafür zahlen, sei die Antwort gewesen, hat Kappler recherchiert.

Für eine "symbolische Mark" fand der Barockaltar sein neues Zuhause bei Bad Windsheim. Vermutlich habe er liegend transportiert werden müssen, überlegt Kappler. Martin Knörr, damals Konfirmand in Ipsheim, erinnert sich noch an die Schufterei in der Kirche bei der Renovierung. Jedenfalls sei der Dekan, laut Kappler "die treibende Kraft bei der Sache", froh gewesen, die Angelegenheit hinter sich gebracht zu haben.

Als der barocke Hochaltar 1961 aus- und der Kirchenväteraltar – ohne Predella und Gesprenge, das während der Einlagerung zum besseren Schutz im Zweiten Weltkrieg in der Kulmbacher Plassenburg verloren ging, weil es laut Ortschronist Albert Geng vermutlich für "Wärme im kalten Winter genutzt" worden war – eingezogen war, wurde für November der Festgottesdienst festgesetzt. Der Kirchenvorstand habe Oberkirchenrat Giegler dafür vorgeschlagen – für Dekan Söllner ein herber Schlag, denkt Kappler. Denn Söllner schrieb: "Ob je einem Hersbrucker Dekan solch eine Behandlung widerfahren ist, wie ich wiederholt erleben musste?"

Er blieb dem Festakt fern und hielt andernorts einen Einführungsgottesdienst. "Das sorgte schon für Verwirrung in der Stadt." Und dennoch: Die Hersbrucker waren glücklich über ihren Kirchenväteraltar.

Altar vor Fenster

Und die Ipsheimer? "Der Altar ist keiner für den ersten Blick", sagt Pfarrerin Barbara Müller, "es ist ein trauriges Bild, aber er gehört nun einfach zur Johanniskirche." Und bei langer Betrachtung werde "ein tiefer theologischer Gehalt" deutlich, "da steckt das ganze Evangelium mit drin", findet Müller. Schade sei nur, dass durch das Kunstwerk das bunte Auferstehungsfenster verdeckt wird.

So flammte vor zehn Jahren noch einmal eine Debatte um den "Tisch des Herren" aus der Hersbrucker Stadtkirche in der Ipsheimer Johanniskirche auf, ein Umzug sei aber nicht wirklich in Betracht gekommen, erinnert sich Martin Knörr. "Die Gemeinde wäre gespalten gewesen." Und zudem wäre die Bedingung sicher gewesen, einen anderen würdigen Aufstellort zu finden. "Der passt dort ganz gut", findet denn auch Kappler.

Copyright (c) 2021 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 05.03.2021