Warum das Spital für Hersbruck so wichtig ist

2018-03-Spitalkirche1
Bildrechte Hersbrucker Zeitung

Mittelalterlicher Komplex aus Kirche und Altenheim hat seine Bedeutung nie ganz eingebüßt – Mit der Stadt verändert – Rummelsberger setzten Tradition fort

HERSBRUCK – Nicht nur den ehrenamtlichen Spitalkirchenöffnern um Dietrich Kappler liegt sie am Herzen, auch für viele Hersbrucker hat sie eine große Bedeutung: die Spitalkirche St. Elisabeth mit ihrem Bürgerspital. Doch warum ist das so? Und welche Geltung kommt dem Komplex in städtebaulicher und bauhistorischer Hinsicht zu?

„Für Standortbestimmung und Zukunftsaussagen muss die Entwicklungsgeschichte bei Bau und Nutzung betrachtet werden“, erklärt Peter Kleindienst, Architekt und Stadtplaner aus Nürnberg, der Hersbruck gut kennt. Historische Karten und Dokumente seien unabdingbar, um beispielsweise zu klären, ob der Bau homogen oder in Abschnitten entstanden ist. Eines kann der Experte aber auch ohne den Gang ins Archiv sagen: „Diese Art Krankenhaus mit Kirche war ein wesentlicher Bestandteil einer mittelalterlichen Stadt.“ Hierzu gehören auch Schloss, Rathaus, Kirche und Zehntscheune, ergänzt Kleindienst.

2018-03-Spitalkirche5
Bildrechte privat (über Hersbrucker Zeitung)
Peter Kleindienst

Eine Bedeutung des Spitals über die heutige Lage in der Stadt abzuleiten – zum Beispiel dass sie mit dem Marktplatz auf der Achse „Prager Straße“liegt, die direkt auf die Eingangstür zusteuert –, hält der Stadtplaner für falsch. Denn das Gebäude wurde nicht an einer Achse gebaut, sondern an einem Wegekreuz: „Es ist im Zwickel entstanden, und zwar aufgrund der Querverbindungen der Handelswege.“ Und dieses Eck war im Mittelalter eben nicht zentral gelegen, sondern am Rand der Stadt – „wegen der Seuchen“.

Von Kapelle zur Kirche

So ist im Hersbrucker Stadtarchiv nachzulesen, dass das Spital 1406/07 vom Ehepaar Johann und Anna Polsterfür heimatlose und kranke Menschen gestiftet wurde – außerhalb der Stadtmauer an der Straße von Nürnberg nach Prag. Üblich war dazu auch die Gründung einer Kirche, damit die dort aufgenommenen Alten, Kranken und Armen „für das Seelenheil der Stifter beten können“. Dies folgte 1423/24, als Katharina Alhart neben dem Spital eine der heiligen Elisabeth geweihte Kapelle errichten hat lassen und dieStiftung zu einer „eigenen Spitalprädikatur“ erweitert hat.

Im Mittelalter herrschte – ausgehend vom Gleichnis über den barmherzigen Samariter – die Auffassung, dass die Betreuung dieser Personengruppen als gute Tat für Ansehen im Himmel sorgt. Die Spitäler waren Ausdruck dieser sogenannten Werkfrömmigkeit, waren daher an geistliche Institutionen angegliedert und galten als „Seelgerät“. Erst als Stadt und Bürgertum erstarkten, ist im Archiv zu erfahren, wurde der Komplex eine Einrichtung der Bürger.

2018-03-Spitalkirche2
Bildrechte Hersbrucker Zeitung

Baulich sichtbar ist diese enge Verknüpfung zwischen Religion und Sozialwesen nicht nur von außen, sondern auch in Form der Pfründnerwohnung über dem Kirchraum (heute nur über einen separaten Zugang über den Hof zu erreichen) und der Räume, von denen aus die ansteckenden oder bettlägerigen Insassen durch Fenster den Gottesdienst verfolgen können, wie Albert Geng in „Hersbruck – 1000 Begriffe“ schreibt. Dass die Spitalkirche heute nur durch große Fenster und den Dachreiter mit zwei Glocken als solche erkennbar ist, ist der Tatsache geschuldet, dass 1440 das Gotteshaus in das Spital eingebaut und durch einen Zwischenbau mit der Kapelle verbunden wurde.

Teil der Mauer

Im gleichen Jahr wurden die Gebäude zusammen mit einem neueren Stadtteil in die Stadtmauer einbezogen. Die nördlichen und östlichen Häuser um den großen Hof bildeten dabei einen Teil der Befestigungsanlage. Blättert man weiter in den Akten, erfährt man von weiteren Bauabschnitten: So entspricht der gotische Chor der alten Kapelle, das Schiff kam erst beim Umbau von 1670-90 dazu. In diesen Jahren wurden außerdem Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichtet. Der Spitalkomplex ist also seit jeher mit der Stadt gewachsen und hat sich nach deren Ansprüchen verändert, verschwunden ist er aber nie.

Und das, obwohl die Spitalinsassen, wie im Archiv zu lesen ist, nach und nach ausstarben und von modernen Altenheimen übernommen wurden. 1522 lebten 15 oder 16 Bewohner dort. Obwohl laut einer Stellungnahme des Nürnberger Rates das Spital „auf Bettel gestiftet“ sei, nahm man aber keinen Mann mit einem Vermögen von fünf Gulden auf. Im 18. Jahrhundert wurde die Stadtverwaltung dann auch Stiftungsverwalter. Seitdem trägt die Stadt die Baulast für die Gebäudegruppe.

2018-03-Spitalkirche3
Bildrechte Hersbrucker Zeitung

Die Schwarz-Weiß-Grafik veranschaulicht den Aufbau des Kirchenteils. Dieser entstand als kleine Kapelle, der heutige Chorraum ganz rechts. Gut zu erkennen ist auch die nur von außen erreichbare Pfründerwohnung (Holzvertäfelung links), die den Zusammenhang zwischen Sozialem und Geistlichen darstellt.

Klare Trennung

Im 19. Jahrhundert nahm die Bedeutung des Spitals weiter ab: Laut Unterlagen wurden der Viehbestand verkauft, die Landwirtschaft aufgegeben und die entsprechenden Räumlichkeiten verkauft. 1872 soll es gar Bemühungen des zweiten Bürgermeisters gegeben haben, die Kirche der katholischen Gemeinde zu überlassen, da „diese noch ganz katholisch eingerichtet sei“. Eine klare Trennung zwischen Kirche und Spital schlug Stadtbaumeister Fürst bei einer großen Gesamtrenovierung 195763 vor: Er überlegte, die profanen Räume über dem Kirchenschiff dem Kirchteil zuzuschlagen.

Letztlich getrennt wurden die beiden Teile 2007/08. Der Zugang vom Spital in die Kirche wurde verschlossen, als die Rummelsberger mit ihrer Wohngruppe einzogen. Auch wenn sich der Spitalkomplex damit der heutigen Zeit angepasst hat,so weht dank der Rummelsberger noch der Geist von damals: Die ursprüngliche, soziale Aufgabe des Spitals wird somit fortgeführt und vielleicht hat das Gebäude auch deshalb Platz und Wichtigkeit in der Stadt, im Leben der Menschen, nie verloren.

ANDREA PITSCH

Bilder: Äußerlich hat sich der Spitalkomplex im Lauf der Zeit kaum verändert: Eine Aufnahme zeigt das Spital um 1900 (oben) mit regem Treiben. Ruhiger geht es da heute vor der Kirche zu (ganz oben).

2018-03-Spitalkirche4
Bildrechte Hersbrucker Zeitung

Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Spital (roter Kreis) sei in einer Achse mit dem Marktplatz (grün) errichtet worden. Doch der Komplex entstand am Rande der Stadt und wurde erst später ein Teil der direkt darüber verlaufenden Stadtmauer. F: mapz.com - Map Data: Open Street Map ODb L

Fotos: privat, J. Ruppert, Copyright (c) 2018 Verlag Nuernberger Presse, Hersbrucker Zeitung, Ausgabe 10.03.2018


Artikel dazu als Download: