Zu oft verschlossen

2018-05-Spitalkirche
Bildrechte Timo Lechner (Sonntagsblatt)

Eine Gruppe Hersbrucker will die Spitalkirche wieder den Menschen zugänglich machen / Zwei Mal pro Woche wird im Schnitt in der Hersbrucker Spitalkirche Gottesdienst gefeiert. Und die Hersbrucker lieben ihr rund 600 Jahre altes Kleinod im Herzen der Altstadt, lassen sich dort gerne trauen oder ihre Kinder taufen. Doch zwischendrin ist die Kirche meist verschlossen. Allerdings nicht an den Samstagvormittagen, wenn die Gruppe der ehrenamtlichen »Spitalkirchenöffner« ihren Dienst antritt. Einer davon ist Dietrich Kappler, der die Geheimnisse der kleinen Kirche kennt.

Thomas Lichteneber hat Kappler mit der Begeisterung für das vom Zahn der Zeit unberührt scheinende Kirchlein angesteckt. Der gebürtige Nürnberger ist erst im November 2017 als Pfarrer wieder zurück in seine Heimatregion gekommen und hält regelmäßig in der Spitalkirche Gottesdienst. Allerdings nicht auf der Kanzel. »Ich will näher bei den Menschen sein«, sagt der 53-Jährige. Dort oben würde er dann eventuell die Sanduhr drehen können, die wahrscheinlich schon seit dem Kauf im Jahr 1670 an der Brüstung hängt und mit ihren Viertelstundengläsern den Prediger mahnen soll, doch irgendwann mal zum Ende zu kommen.

Ein Blickfang ist auch der mobile Taufstein, der nicht zuletzt daran erinnert, dass die Spitalkirche nie eine Pfarrkirche war. Von oben geht der Blick direkt hinauf zur flachen Holzbalkendecke der Kirche mit ihren sechs mächtigen Holzpfeilern, welche die Pfrün- derwohnung tragen, die von außen über eine Wendeltreppe zugänglich ist und in der man sich quasi direkt über dem Kirchenschiff befindet. Hinter dem Höhensprung sieht man noch heute die Ritzen des Holzgitters, zwischen denen die Spitalbewohner einst dem Gottesdienst beiwohnen konnten, ohne den anderen Besuchern sowie dem Pfarrer ins Auge zu fallen.

Denn bis in die 1980er-Jahre hinein machte die Hersbrucker Spitalkirche ihrem Namen tatsächlich alle Ehre. Fast 600 Jahre lang diente das von den Hersbrucker Bürgern Johann und Anna Polster im Jahr 1406 der heiligen Elisabeth gestiftete Hospital Kranken, Bedürftigen und Alten als Kranken-, Armen- oder Altershaus. Heute betreibt die Rummelsberger Diakonie in den Räumen des alten Spitals Wohngruppen. Früher konnte man aus dem Gebäude nebenan auch noch direkt in die Kirche gelangen, bis der Zugang zugemauert wurde.

Eine der Geschichten, die Dietrich Kappler immer wieder erzählt, wenn samstags die Hersbrucker selbst oder Touristen ihren Weg in die Kirche finden. »Manche kommen, sagen ›oh, wie schön!‹ und marschieren wieder hinaus. Andere wollen es genauer wissen. Dann zeige ich den Altar mit Schnitzereien aus der Veit-Stoß- Schule oder die Malereien nach Michael Wolgemut, des Lehrers Albrecht Dürers«, erklärt Kappler, und die Augen des Architekten beginnen zu leuchten. Jahrzehntelang hatte er die Hoheit über moderne Gebäude – im Ruhestand interessiert ihn eben die historische Bausubstanz.

Jedoch denken sowohl Kappler als auch Lichteneber an die Konservierung dieses mittelalterlichen Kulturguts. Die letzte Renovierung der Kirche datiert auf die Jahre zwischen 1957 und 1963. »Es muss einiges geschehen«, ist Thomas Lichteneber überzeugt, »allerdings muss der Charakter der Kirche auch erhalten werden.« Gleich drei Dachstühle besitzt das Gebäude – ein Traum für jeden Denkmalschützer, ein Albtraum für jeden, der hier sanieren muss. Das ist am Ende die Stadt Hersbruck, der die Elisabeth-Spitalstiftung gehört. Die evangelische Kirchengemeinde hat allerdings ein Nutzungsrecht der Spitalkirche, »so lange in ihr Gottesdienste gefeiert werden«, weiß Lichteneber. Rund eine Million Euro würden die grundlegenden Sanierungsarbeiten wohl kosten, hat Dietrich Kappler schon ausgerechnet. Kirchenraum und Dachstühle hätten eine Auffrischung nötig, alleine aus Gründen der Verkehrssicherheit.

Bis solche Arbeiten aber in Angriff genommen werden können, bis dahin müsse noch an vielen Stellen Überzeugungsarbeit wegen der Notwendigkeit geleistet werden, so die beiden. Eines ist aber sicher: Die »Spitalkirchenöffner« tragen dazu bei, dass »ihre« Kirche im Fokus des Interesses in Hersbruck bleibt. Nicht nur von außen. Timo Lechner

Bild oben: Pfarrer Thomas Lichteneber (links) und »Spitalkirchenöffner« Dietrich Kappler mittendrin in der kleinen Kirche. Eine rührige Gruppe Hersbrucker will die Spitalkirche der Öffentlichkeit zugänglich machen. Foto: Lechner


Sonntagsblatt für Bayern, Nr. 18, 6. Mai 2018, Timo Lechner, Kirchenkreis Nürnberg, Seite 13 (www.sonntagsblatt.de)

 

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