Appell an die Menschlichkeit zu allen Zeiten

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Bildrechte U. Scharrer

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus mit Gottesdienst und Schweigemarsch zur Bocchetta-Skulptur im Rosengarten

HERSBRUCK (us) – „Mensch werden“ – das Thema der diesjährigen Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus hat sein Echo in allen Beiträgen gefunden, die von einem vielköpfigen Team verschiedener Denominationen und Berufsgruppen vorbereitet worden waren, und bildete den roten Faden in einer außerordentlich ansprechend gestalteten Gedenkfeier, die auch den Bezug zum Hier und Jetzt nicht vermissen ließ.

Die fehlende Nase der Heiligen Elisabeth in der Nische über dem Eingang zur Spitalkirche möchten in Hersbruck lebende Flüchtlinge reparieren lassen (wir berichteten), um ihr wieder ein heiles und unversehrtes Gesicht zu geben. Diese Geschichte bildete einen kleinen Teil von Pfarrer Thomas Lichtenebers Predigt in der gut besetzten Spitalkirche und steht laut Lichteneber doch beispielhaft für dieSehnsucht aller Menschen,sich im Antlitz eines Gegenübers zu spiegeln und dadurch Mensch zu werden.

Keine Geschichtsstunde

Auch Gott suche immer wieder die Beziehung zum Menschen, indem er ihn bei seinem eigenen Namen riefe, wie es im Predigttext bei Jesaja hieß. Das Opfergedenken sei keine Geschichtsstunde, sondern ein Einüben in Achtsamkeit – auch im Wahrnehmen des Mitmenschen.

Namen spielten in der berührenden Gedenkfeier immer wieder eine Rolle. Wie Initiator Thomas Wrensch vom Verein Dokumentationsstätte KZ Hersbruck betonte, ist ein Name oft das einzige, kleine Teilchen eines Menschen, das von den in Hersbruck gepeinigten und verstorbenen Opfern des Nationalsozialismus geblieben sei – Menschen „wie du und ich“.

Bedrückende Aufzählung

Beispielhaft trugen Jochen Tetzlaff und zwei junge Frauen der evangelischen Jugend beim Einzug in die Kirche einzelne Namen und ihre Nationalitäten vor, eine schlichte, bedrückende und eindringliche Aufzählung. Um diesen Namen etwas mehr „Gesicht“ zu geben, erinnerten Wrensch und Luise Treuheit an die Lebensläufe von Georg Hans Trapp und Jura Soyfer. Trapp überlebte die Zeit im KZ und verarbeitete die knochenbrecherische Arbeit im Steinbruch und andere traumatische Ereignisse in Kunstwerken – eine Lithografie hatte Wrensch in die Kirche mitgebracht.

Der Österreicher Jura Soyfer, politischer Kabarettist, starb mit 26 Jahren im KZ Buchenwald an Typhus. Seine zum Teil im Konzentrationslager entstandenen Werke überlebten und der Vortrag des „Dachau-Liedes“ durch den jungen Tenor Maximilian Vogt beschwor das unbarmherzige Dasein im KZ herauf. Soyfers „Lied des einfachen Menschen“ trug Vogt anschließend als Gedicht vor: „… wir sind das schlecht entworf´ne Skizzenbild des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt...“. Die Zeilen zeigen Soyfers Zweifel an der Menschlichkeit unter dem NS-Regime schlechthin auf.

Ruhige Vivaldi-Sonaten mit Ruth Barkowski an der Orgel und Anne Barkowski am Cello schufen Pausen zum Nachdenken in einem intensiven Programm. Zu den Fürbitten traten Landrat Armin Kroder, Bürgermeister Robert Ilg, Polizeichef Johann Meixner und Marianne Ermann ans Mikrofon. Sie schlugen den Bogen zu den Anliegen und Nöten der Jetztzeit. Zuvor hatte Wrensch Zweifel an der Abschiebung eines jungen Mannes geäußert, der hier im Landkreis seine kranken Eltern pflegt(wir berichteten) und lautstarke Zustimmung aus dem Kirchenschiff bekommen.

Glocken läuteten

Im Anschluss an die kirchliche Gedenkstunde pilgerten zum Läuten der Glocken rund 80 Menschen schweigend und mit Kerzen in den Händen von der Spitalkirchen zur Skulptur von Vittore Bocchetta im Rosengarten. Polizeibeamte sperrten den Kreisverkehr und die Amberger Straße ab und erläuterten geduldig Passanten und Autofahrern den Anlass der Prozession. Zum Abschluss des Schweigemarsches begrüßte Thomas Wrensch im Rosengarten noch einen Ehrengast: Apostopolos Malamoussis, griechisch- orthodoxer Erzpriester aus München, war extra angereist, um die Initiative von evangelischen, katholischen und methodistischen Christen, freikirchlicher Gemeinde und Neuapostolischer Kirche noch um eine Facette zu bereichern.

(c)2018 Verlag Nuernberger Presse, Hersbrucker Zeitung, Ausgabe 29/01/2018


Zeitungsartikel:


Predigt von Pfarrer Lichteneber: