Ein Leben im Widerstand

Eindringliche Stimme: Sopranistin Nicole Glamsch
Bildrechte Susanne Pflaumer
Konzert – Das Bonhoeffer Oratorium in der Stadtkirche

Die Aufführung des Oratoriums in der Hersbrucker Stadtkirche hinterließ eine tief beeindruckte Zuhörerschaft. Pfarrer Björn Schukat begrüßte die zahlreichen Gäste und verband den Dank an die Ausführenden mit dem Bezug auf die "Gemeinschaft der Heiligen", dem Einstiegsgedanken des Oratoriums. Als "Liedoratorium" hat Matthias Nagel, Professor für kirchliche Popularmusik an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford, seine 2002 entstandene Komposition über Dietrich Bonhoeffer bezeichnet.

Für Silke Kupper ist die Aufführung ein Herzensprojekt, das sie bereits vor ihrem Dienstantritt als Dekanatskantorin in Hersbruck begonnen hat. Sie hat sich des Werkes angenommen, die Kantoreien Lauf und Hersbruck mit dem Laufer Jugendchor zusammengespannt, ein Streichquartett, eine Band, eine Sopransolistin und einen Sprecher engagiert.

Grundlage des Werks ist der Text von Dieter Stork über das Leben des 1906 in Breslau geborenen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der in seinem Widerstand gegen das menschenverachtende Nazi-Regime 1945 als dessen Opfer kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde. Insgesamt 22 musikalische Nummern folgen auf jeweils gelesene Abschnitte.

Sprecher Michl Zirk verlas die biographischen Daten Bonhoeffers klar und sachlich wie ein Protokoll, dann aber mit zunehmend empathischem Unterton. Die Chöre, begleitet von Band und Streichquartett, vertreten, wie in "klassischen" Oratorien, Volkes Stimme, welche kommentiert, sich entsetzt, betet.

Die Musik gibt sich zunächst schlicht, eben populär: leicht zugänglich, melodiös, locker rhythmisch, weichgespült, zu harmlos für die gewichtigen Worte. Doch, fast unmerklich, gewinnt sie an Tiefe und bietet nicht nur die Unterlage für den Text, sondern wird selbst zur Aussage.

Komponist Nagel macht aus der Schlichtheit eine Tugend, setzt Instrumente, Chorgruppen und Soli differenziert, oft zurückhaltend ein. Er verwendet bekannte musikalische Formen wie Strophenlieder mit Refrain, Kanon, Melodram, den "Gregorianischen" Choral. Das Lied Marias, der Verlobten Bonhoeffers, gehört der Sopransolistin; Dietrichs Lied wird vom seelenvollen Ton des Violoncellos umarmt - doch eine schmerzliche Dissonanz zerreißt die intime Stimmung und verrät, dass diese Liebe keine irdische Zukunft hat. Eine Meditationsmusik (Wer bin ich?) malt Herzklopfen.

Der Text, schonungslos, zerstört Gewissheiten, nimmt alle und jeden Einzelnen in die Verantwortung: "Nur wer für Juden/Kurden/Geflüchtete schreit, darf gregorianisch singen, darf vor Gott sein Halleluja singen!"

Die musikalische Ausführung hatte allerbestes Niveau: Schlackenloser Klang der "Doppelkantorei", helle, blitzsaubere Jugendstimmen, ein strahlender und warmer Solosopran (Nicole Glamsch), souveräne Instrumentalisten: Das Streichquartett mit Heidi Braun, Clara Arantes (Violinen), Helene Richter (Viola), Katharina Arantes (Violoncello), die Band mit Peter Schwarzer (Saxophon), Gerhard Stegmeier (Gitarre), Christine Theuerkauf (Flöte), Johannes Stürner (Trompete), Norbert Gawor (Piano), Rainer Weber (Schlagzeug). Michl Zirks Sprecherstimme ging unter die Haut; an Kantorin Silke Kupper geht ein großes Kompliment für zwei Stunden Spannungsaufbau.

Für das Gedicht "Von guten Mächten treu und still umgeben", von Bonhoeffer am Tage vor seiner Hinrichtung geschrieben, hat Matthias Nagel eine neue Melodie ersonnen: Sie hätte es verdient, zu den Vertonungen von Otto Abel und Siegfried Fietz (Nr. 65 und 637) hinzugefügt zu werden.

SUSANNE PFLAUMER

Copyright (c) 2023 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 24.11.2023