Himmlische Klänge, die glücklich machen

Gesamtchor und Streicher traten erstmals unter Kantorin Heidi Brettschneider auf (Mitte, von hinten). Kleines Bild (von links): die Solisten Corinna Schreiter, Susanne Heinzmann, Christine Mittermair, Rainer Bittermann, Manuel Krauß.
Bildrechte Susanne Pflaumer (Hersbrucker Zeitung)

Das erste große Konzert der Selneckerkantorei unter Heidi Brettschneider begeistert und lässt schon ihre "Handschrift" erkennen.

Das Interesse war riesig, die Stadtkirche voll: Das erste Kantoreikonzert unter der Leitung der neuen Dekanatskantorin Heidi Brettschneider löste nicht nur große Begeisterung aus, sondern ließ auch erkennen, wie intensiv und differenziert in der kurzen Zeit seit ihrem Amtsantritt gearbeitet worden war.

"So ganz nebenbei" hatte die Kantorin ein Frauenstimmenensemble ins Leben gerufen und fit gemacht für exklusive Aufgaben. Ihren Einstand durften die 16 Damen mit dem schönsten Werk der Literatur geben:der "Ceremony of Carols" von Benjamin Britten. Dieser "Kranz von Lobechören", basierend auf mittelenglischen Texten des 14. bis 16. Jahrhunderts, ist für Knaben- beziehungsweise Frauenstimmen mit Harfen- Begleitung gesetzt.

So wieBritten als Komponist des 20. Jahrhunderts die alten Gedichte mit seiner klaren, leicht herben, doch sehr poetischen Musik eng verknüpft und sie so in das Licht der Gegenwart stellt, so transponierte das Vokalensemble seine"himmlischen"Klänge — so stimmlich diszipliniert wie musikalisch engagiert — beglückend greifbar herunter auf den Boden irdischer Realität. Sigrid Hopperdietzel spielte ihre Harfe virtuos und stets inspirierend; bei ihrem instrumentalen Intermezzo schien die Zeit stillzustehen.

Die adventliche Sehnsucht nach dem Erlöser ist kaum deutlicher zu spüren als im Choral "O Heiland, reiß die Himmel auf". Johannes Brahms schuf aus den fünf Strophen eine gewichtige, kompositorisch äußerst kunstvolle Motette: für die große Selneckerkantorei eine ernsthafte Herausforderung, welcher sie beeindruckend souverän gewachsen war. Textlich und rhythmisch klare Konturen, Intonationssicherheit, musikalische Differenzierung — es war alles vorhanden, was nötig ist, um die Tiefe dieser Musik auszuloten.

Im "Oratorio de Noël" des 23jährigen Camille Saint-Saëns gehen barocke Traditionen und romantischer Überschwang eine charmante Liäson ein. Die Instrumentation mit Streichern, Orgel und Harfe ist klanglich apart und sehr französisch. Nach einem J. S. Bach gewidmeten Präludium und einem traditionellen Evangelisten-Rezitativ geht der junge Komponist durchaus seinen eigenen Weg. Der lateinische Text enthält die Weihnachtsgeschichte und etliche Psalm-Zitate. Der Chor darf die Solisten unterstützen, ist für einen dramatischen Ausbruch zuständig und für den schlichten, aber strahlenden Schlusschoral. Die "schönen Stellen" jedoch haben die Solisten, und dramaturgisch konsequent steigert Saint-Saëns die Besetzung von der Soloarie über das Duett bis zum Quintett und baut so Spannung auf. Die Solisten des Abends standen für Qualität: Corinna Schreiters stets allen musikalischen Ansprüchen gewachsener Sopran, Susanne Heinzmanns konzentrierter Mezzo, der warme, fokussierte Alt von Christine Mittermair, Rainer Bittermanns schwereloser Tenor, der präsente, hell timbrierte Bariton von Manuel Krauß — sie alle beeindruckten. Die Verschmelzung der fünf Stimmen aber erzeugte Seligkeit: Musik, die glücklich macht.

Kantor a. D. Karl Schmidt saß an der großen Orgel, Gordon Bär am Positiv. Konzertmeisterin Jeanne Vogt führte die gut klingenden Streicher der Selneckerkantorei sicher durch das Oratorio. Blumen, Wein und brausender Beifall für alle Mitwirkenden, besonders für die Chefin Heidi Brettschneider — es dürfte niemanden geben, der sich nicht auf das nächste Kantoreikonzert freut.

SUSANNE PFLAUMER

Copyright (c) 2018 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 12.12.2018