Luther als Schablone

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Bildrechte A. Pitsch

Spannender Vortrag von Daniel Hess über die Authentizität von Bildern

HERSBRUCK – Sieht die Dame auf dem Plakat wirklich so aus oder was ist daran alles am Computer nachbearbeitet? „Alles Fake?“ fragt daher Daniel Hess bei seinem spannenden Multimedia-Vortrag – und zeigt auf, dass das Thema nach der Authentizität von Bildern auch schon eine Rolle im ausgehenden Mittelalter spielt. Sein Beispiel sind die historischen Lutherbildnisse.

„Viele Fragen kann ich anstoßen, Antworten habe ich noch keine“, sagt Daniel Hess vom Germanischen Nationalmuseum sofort. Aber das stört dieBesucher im gut gefüllten Selneckerhaus, in das der Kirchenbauverein unter Dietrich Kappler eingeladen hatte, nicht. Sie lauschen mucksmäuschenstill und geraten immer mehr in die faszinierenden Fänge von Kunstgeschichte, Psychologie, Propaganda, Kunsttechnik und Forschung.

„Bilder sind immer subjektiv“, stellt Dekan Werner Thiessen eingangs fest. Er sei sich sicher, wer Luther-Schriften lese, habe sicher auch ein Bild des Reformators vor Augen. Welche das sein könnten, zeigte er: Seine Auswahl reicht von einer Zeichnung eines Studenten des Mönchs über die Playmobilfigur bis hin zur Totenmaske. Auch ein Foto der Stadtkirche hat er dabei. „Als der Barockaltar noch stand, hing neben diesem nämlich ein Bild Luthers.“ Diesen bunten Reigen führt Hess sogleich fort. Nach einem kämpferischen Holzschnitt mit „satirischer Aussage“, den Luther als „wilden Rowdy“ präsentiert, folgen Kupferstich, Wachsfigur sowie eine Kolorierung von 1825 im Biedermeier-Stil. „Im 19. Jahrhundertwurden die Werke opulenter und theaterhafter“, erklärt Hess, während eine Szene des Thesenanschlags über die Wand flimmert.

„Das hat so aber nie stattgefunden“, betont Hess. Auch mit einem historistischen Bild des Reichstags in Worms von 1872 macht er klar, dass die Autoren suggestiv eine bestimmte Botschaft vermitteln wollten. Sie bedienten sich dabei bei Cranachs Lutherbildern und inszenierten Begebenheiten, die zur Zeit Luthers nie dargestellt wurden.

Kreuz und Vaterland

Schnell wird den Zuhörern klar, dass es sich dabei um Propaganda handelt. Ihren negativen Höhepunkt erreichte diese laut Hess im Ersten Weltkrieg, als eine „fatale Einheit aus Kreuz und Vaterland“ konstruiert wurde und es zu einer „nationalen Instrumentalisierung“ kam – von Luther zu Hitler,zu Erich Honecker und sogar zu Plakaten der heutigen NPD. „Das Aussehen des Reformators wurde stets verändert – je nach Epoche und Anliegen.“ Aber wiesah er nun aus? Das lässt sich nicht sagen, denn selbst Datierungen erscheinen nach den neuesten Forschungen teils ungewiss, erläutert Hess anschaulich. „Luther war ein Star“, sagte Hess, „er wusste die Massenmedien zu nutzen“. Zig Bilder wurden damals „rausgehauen“ – in drei Bildnistypen: Mönch, Junker und Reformator.

Dieses Trio kommt auch in einem frühen Kupferstich, einem Junker-Bild von 1522 sowie einem Holzschnitt vor, die Hess vorzeigt. Mit diesem Wissenim Hinterkopfblickt das Publikum gespannt auf das Hauptforschungsobjekt von Hess, das Bildnis Martin Luthers, nach 1546, von Lucas Cranach d. Ä – und entdeckt prompt Ähnlichkeiten.

Ein Raunen geht durch die Zuhörerreihen, als ein Vergleich der Unterzeichnungen des Cranach-Werks und des Holzschnitts erscheint. Eine schrittweise Überblendung macht die Gleichheit deutlich sichtbar. „Das ist ja stark“, entfährt es da Pfarrer Thomas Lichteneber fasziniert.

Das Geheimnis: Die Werkstatt hatte damals eine Schablone entworfen – „das war nicht unüblich“ –, die auf etliche Bilder anwendbar ist. Schließlich mussten die Abbilder des Reformators ja in Masse rausgehen. Dass dem Lutherbild des Germanischen Nationalmuseums eine Tonsur fehlt, obwohl die Hauptfigur im Mönchsgewand porträtiert ist, entlarvt Hess als „simplen Kopistenfehler“. Das Bild kann seiner Meinung nach nicht vor seinem Tod (1546) entstanden sein.

Verehrt wie Heiliger

Bereits zu Lebzeiten kamen Heiligenbilder Luthers in Umlauf.„Das lief dem neuen Glauben eigentlich zuwider.“ Aber Gläser, aus denen der getrunken haben soll, sowie sogenannte Luthermedaillen des „Prophets Deutschlands“ legen eine regelrechte Heiligenverehrung nahe, so Hess. Eine Zuspitzung erfuhr die Bildpropaganda bei Luthers Tod. Sein Ableben wurde genau dokumentiert – von einer Totenmaske aus Wachs ist da keine Rede, obwohl eine existiert. „An dieser wurde übrigens deutschtümelnd rumgeschnippelt“, wirft Hess ein. Und was sollte ein Maler zeigen? „Dass Luther friedlich und in festem Glauben eingeschlafen ist.“ Auch bei diesem Bild wird wie bei den Medaillen Wert auf Wiedererkennung gelegt.

Hess macht klar, dass die Werke daher die Aufgabe hatten, an einen Menschen zu erinnern, eine Legende zu unterfüttern und nicht eine Biografie einzufangen. „Unsere These ist deshalb, dass die Bilder erst in den 1540er Jahren im Lauf des Lutherbooms entstanden sind.“ Er appelliert daher, die Bilder im historischen Kontext deuten zu lernen. Zudem setzt er die Abbildungen zwischen Herrscherund Heiligenbildnissen an.

Denn als Luther älter wurde, ähneln seine Darstellungen Machthabern. Er wird also zum „kirchenpolitischen Schwergewicht“. Das wahre Aussehen Martin Luthers liegt noch verborgen, aber wer er war, lasse sich an den Schriften ablesen, findet Daniel Hess.

ANDREA PITSCH

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Bildrechte A. Pitsch

Mit moderner Technik lässt sich unter die Farbschichten blicken, die dann solche Schablonen offenbaren und Ähnlichkeiten erklären.

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Bildrechte A. Pitsch

Daniel Hess sprach bei seinem Vortrag über das wahre Aussehen Luthers.

(c)2018 Verlag Nuernberger Presse, Hersbrucker Zeitung, Ausgabe 26/01/2018

 


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