Weihnachten im Bushäuschen „Schrotsdorf Mitte“

Weihnachten 2020
Bildrechte Ute Scharrer

Die Kirchen kamen dieses Jahr an Heilig Abend zu den Menschen auf die Straßen – Botschaften voller Zuversicht im Zentrum

HERSBRUCKER SCHWEIZ – „Dieses Jahr ist Weihnachten anders!“, stellen Dekan Tobias Schäfer, Pfarrer Gerhard Metzger und Pfarrerin Ann-Sophie Hoepfner gleich in den ersten Sätzen ihrer Ansprachen fest. Mit Masken, Schirmen, dicken Jacken und laut Verordnung weitgehend stumm trotzen Freiluft-Gottesdienstbesucher den Elementen und der Pandemie, um die frohe Botschaft zu hören: „Uns ist ein Kindlein geboren!“ Fünf Stationen habe ich mir am Heiligen Nachmittag vorgenommen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie die Kirchen das Weihnachtsevangelium direkt zu den Menschen bringen, auf Straßen und (Park-)Plätze. Mein erster Halt ist noch unter Dach. Während auf dem Vorhof der Stadtkirche ein beleuchteter Christbaum auf dem Autoanhänger verzurrt wird, stehe ich alleine vor der Krippe, die Gerd Kötter und Andrea Naucke in abendelanger Arbeit aufgebaut haben. Der geschmückte Christbaum wirft warmes Licht auf die Szenerie mit Heiligem Paar, Kind in der Krippe, Schafen. Ein guter Ort, um über die Kernaussage von Weihnachten, die Menschwerdung Gottes, nachzudenken. Dafür steht die Kirche Besuchern tagsüber offen.

Der „Christbaum to go“ dagegen ist inzwischen auf der Wiese vor dem Sigmund-Faber-Heim angekommen. Mit ihm Dekan Tobias Schäfer, Kantorin Heidi Brettschneider in robusten Hosen mit Reflektorstreifen und ein paar wetterfeste Bläser und Bläserinnen. Die sorgen dafür, dass trotz der Schilder „Ab hier Maske auflassen! Abstand halten! Nicht singen!“ ein Gefühl der Verbundenheit entsteht: durch die vertrauten Melodien von „Alle Jahre wieder“ und „Ihr Kinderlein kommet“.

Ein paar Kinder sind tatsächlich gekommen, dick eingemummelt stehen sie unter ihren Schirmen. Mit den ersten Posaunentönen treten in der Wohnanlage gegenüber auch Menschen auf die Balkone und im Heim einzelne Bewohner und Pflegekräfte an die Fenster. Sogar eine „Drive-In-Gottesdienstbesucherin“ gibt es, die auf dem Parkplatz mit geöffneter Autotür teilnimmt. Der nicht zu unterschätzende Aufwand, den die Kirchen für diese völlig ungewohnte Form von Gottesdienst auf sich genommen haben, lohnt sich, die Menschen nehmen das Angebot mit Dankbarkeit an.

Unauffällig und leise

Dekan Schäfer begrüßt sie alle und liest die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium vor, „eine Botschaft, die in diesen Tagen gebraucht wird“. Er stellt die Hirten in den Mittelpunkt seiner Ansprache. Sie hatten damals keinen guten Stand und hätten vielleicht von dem Kind in der Krippe etwas anderes, drastischere Veränderungen erwarten können. Stattdessen erlebten sie mit offenen Herzen, wie sich in einer heillosen Zeit das Heil unauffällig Bahn brach. Wie die Hirten damals sei es, so Schäfer, unser Auftrag, diese Heilsbotschaft weiterzusagen, das Licht zu denen zu tragen, die es brauchen. Dafür verteilen Helfer am Ende der Andacht Kerzen. Mit bereits klammen Fingern stecke ich mir eine davon in die zunehmend feuchte Fototasche.

Was vor dem Faberheim ein unangenehmer Nieselregen war, wird in Altensittenbach zum eisigen Wolkenbruch. Die Eltern mit ihren Kindern, die zum Familiengottesdienst vor die Aussegnungshalle gekommen sind, nehmen es gelassen. Und sie werden belohnt: Jugendreferent Viktor Ambrusits hat mit Familie Schramm lebensgroße Stabpuppen gestaltet, mit denen Jugendliche die Weihnachtsgeschichte szenisch aufführen. Amelie und Constantin Kolb machen die vertraute Geschichte zu einem Erlebnis. Weihnachtskinderhits wie „Zumba Zumba Weihnachtszeit“ werden von Familie Utz mit Gitarre und Flöten und dem kleinen Hannes an den Glöckchen präsentiert – Mitklatschen ist zum Glück erlaubt. „An Weihnachten kommt die Geschichte Gottes mit der Geschichte der Menschen zusammen“, gibt Pfarrer Metzger den Familien mit auf den Heimweg.

Weihnachten 2020
Bildrechte Ute Scharrer

Vor der Fahrt nach Schrotsdorf wird bei mir ein Jackenwechsel notwendig. Zu ausdauernd der Regen, die Finger am Auslöser des Fotoapparates frostkalt. Den Aktiven an Flöte oder Blasinstrument geht es heute sicherlich nicht besser. Auf dem von der Dorfgemeinschaft wunderschön mit Laternen geschmückten Dorfplatz von Schrotsdorf hat Pfarrerin Ann-Sophie Hoepfner ihre Utensilien aus dem mit einer Lichterkette dekorierten Kofferraum geholt und steht nun, von zwei Christbäumen flankiert, im Bushäuschen „Schrotsdorf Mitte“. Der Regen hat aufgehört, es ist inzwischen dunkel und so kommt die Botschaft vom Licht auf besondere Weise an.

Licht aus Bethlehem

„Wir müssen Weihnachten nicht retten – Weihnachten hat uns gerettet“, nimmt Hoepfner Druck aus den Vorstellungen eines perfekten Christfestes. Der Posaunenchor der Gemeinde Offenhausen spielt „Stille Nacht“, als Hoepfner mit ihrem mitgebrachten Friedenslicht aus Bethlehem eine Laterne auf dem Dorfplatz entzündet. Seit 1986 wird die offene Flamme jedes Jahr von einem Kind entzündet, sorgfältig gehütet aus Israel nach Wien geflogen und nimmt von dort seinen Weg nach Deutschland. 2020, in einem Jahr, wo Grenzen in vielerlei Hinsicht wieder an Bedeutung gewonnen haben oder sogar geschlossen worden sind, nimmt dieses Licht besondere Symbolkraft an. Das Licht in der Schrotsdorfer Laterne bleibt für die Besucher der Andacht noch zugänglich, auch als der Schlusssegen gesprochen ist und die Gemeinde auseinander geht.

Ich sitze schon im Auto, da fällt mir die Kerze ein, die ich im ersten Gottesdienst mitgenommen habe. Ich steige noch einmal aus und entzünde sie an der Flamme, die mehr als 3000 Kilometer hinter sich hat und von Docht zu Docht gereicht wurde. Die letzte Station,die ich mir für diesen Abend vorgenommen habe, streiche ich. Ich bin ordentlich durchgefroren, ziemlich nass, möchte ein wenig über die gehörten Botschaften nachdenken – und in mein Licht aus Bethlehem blicken.

UTE SCHARRER


Bild 1: Verstärkt von seinem mobilen Christbaum, Bläsern und einigen Helfern macht Dekan Schäfer Station vor dem Sigmund-Faber-Heim, um die frohe Botschaft des Heiligen Abends zu verkünden.

Bild 2: Heilig Abend in Schrotsdorf: Von vielen Lichtern umgeben verkündet die Pfarrerin aus dem Bushäuschen die frohe Botschaft.

Fotos: U. Scharrer

Copyright (c) 2020 Verlag Nuernberger Presse, Hersbrucker Zeitung, Ausgabe 28.12.2020